Mit Integrativer Medizin gegen chronische Krankheiten: Zusammenspiel im Krankenhaus
Interview mit Frau Dr. Michaela Moosburner / Chefärztin im Krankenhaus für Naturheilweisen in München
Die Behandlung chronischer Krankheiten ist, trotz medizinischer Fortschritte, für viele Patientinnen und Patienten immer noch ein langer Leidensweg. Bis Krankheiten wie Fibromyalgie erkannt werden, dauert es oft Monate, und die Behandlung mit Schmerzmitteln stößt schnell an ihre Grenzen. Neue Wege gehen Kliniken wie das Krankenhaus für Naturheilweisen (KfN) in München, das mit 110 Betten zu den größten Zentren für Integrative Medizin in Deutschland gehört. Seit über 100 Jahren integriert die Klinik anerkannte Verfahren der Komplementärmedizin in schulmedizinische Behandlungskonzepte. Zu den Therapieschwerpunkten des KfN zählen unter anderem entzündliche und degenerative Erkrankungen, funktionelle Beschwerden wie z.B. das Reizdarm-Syndrom, chronische Schmerzen und die unterstützende Tumortherapie. Chefärztin Dr. Michaela Moosburner erklärt, warum dieser Weg erfolgreich ist.
Wie gehen Sie in der Klinik vor, wann wird konventionelle, wann komplementäre Medizin eingesetzt?
Dr. Moosburner: Das hängt von der Grunderkrankung und der aktuell bestehenden Symptomatik ab. Natürlich spielt aber auch der Patientenwunsch eine ganz wichtige Rolle. Im Idealfall unterstützen die unterschiedlichen naturheilkundlichen Maßnahmen die medizinisch notwendige konventionelle Therapie. Wenn jemand im akuten Schub einer entzündlichen Darmerkrankung wie Colitis Ulcerosa oder eines Morbus Crohn zu uns kommt, dann können wir auf eine schulmedizinische Behandlung in der Regel nicht verzichten, im Bedarfsfall wird die bestehende Basistherapie auch intensiviert. Und da der Organismus durch die Entzündung ohnehin schon geschwächt ist, muss man mit naturheilkundlichen Reizen auch sehr dosiert umgehen.
In solchen Fällen kommen vor allem milde reflektorische Verfahren, wie zum Beispiel die Fußreflexzonentherapie oder eine Physiotherapie mit osteopathischen Techniken zum Einsatz. Wenn es der Allgemeinzustand zulässt, lassen wir unsere Patienten auch mal fasten, weil das den Darm einfach beruhigt. Haben die Patienten die Akutphase überwunden, wird häufig auch eine Ganzkörperhyperthermie durchgeführt. Zudem bedienen wir uns vieler pflegerischer Maßnahmen wie zum Beispiel beruhigender Bauchwickel oder Baucheinreibungen, Maßnahmen, die diesen krampfartigen Schmerz nehmen. Die Phytotherapie spielt hier ebenfalls eine Rolle, wie zum Beispiel die Weihrauchtherapie. Weihrauch hat eine leicht kortisonähnliche Wirkung, allerdings ohne entsprechende Nebenwirkungen.
Wie wird das angenommen? Eignet sich jeder Patient gleichermaßen für die Integrative Medizin?
Dr. Moosburner: Die meisten Patienten sind dankbar für einen ganzheitlichen Behandlungsansatz. Viele Patienten, die zu uns kommen, haben sich über integrative Maßnahmen informiert. Sie bringen eine große Bereitschaft mit, sich auf komplementäre Therapien einzulassen. Der Unterschied zur konventionellen Medizin ist, dass der Patient aktiv in seine Behandlung mit einbezogen wird, er muss auch selbst Verantwortung für seine Gesundheit übernehmen. Der Ordnungstherapie – einem Teilbereich der klassischen Naturheilverfahren, bei dem die Strukturierung der äußeren und inneren Lebensordnung im Vordergrund steht – liegt ein salutogenetischer Ansatz zugrunde. Das bedeutet, für uns ist vor allem der Prozess des Gesundwerdens entscheidend. Was kann der Patient selbst tun, damit es ihm besser geht, über welche inneren Ressourcen verfügt er, um seinen Körper dabei zu unterstützen.
Dabei bedienen Sie sich Verfahren, die ungewöhnlich sind. Gerade die ausleitende Therapie klingt für manchen Laien mit Blutegelbehandlung, Schröpfkopftherapie sowie Aderlass zunächst befremdlich. Wie nehmen die Patienten diese Angebote an? Gibt es auch Skeptiker?
Dr. Moosburner: Wir haben Patienten, z.B. mit Arthrose, die eine Augenbraue hochziehen, wenn man ihnen eine Blutegeltherapie vorschlägt. Wir klären dann auf: Zu den ausleitenden Verfahren ist die Studienlage bei bestimmten Erkrankungen sehr gut. Nach einer Blutegeltherapie spüren viele Patienten nach zwei bis drei Tagen, dass sich was tut. Und die Schmerzlinderung kann sogar Wochen bis Monate anhalten. Es geht hier nicht um ideologische Überzeugungen. Allein der Therapieerfolg zählt.
Ist das Ergebnis denn nachhaltig? Setzen die entlassenen Patienten die Behandlungsmethoden auch an ihrem Heimatort fort?
Dr. Moosburner: Deswegen ist ja die Ordnungstherapie so wichtig. Da lernen die Patienten, wie sie viele Maßnahmen auch zu Hause in ihren Alltag integrieren können. Zum Beispiel braucht man für einen Kneipp‘schen Guss keine Kneippanlage. Da reicht es, wenn man zu Hause den Duschkopf abschraubt und die Anwendung dann selbst durchführt. Die Blutegeltherapie hingegen ist sehr aufwändig. Aber es gibt auch naturheilkundlich orientierte Hausärzte, die diese Therapie in ihren Praxen anbieten, meist allerdings als IGEL-Leistungen.
Zu einem Ihrer Schwerpunkte zur Behandlung von Fibromyalgie oder Rheuma zählt das Hyperthermie-Verfahren. Wie kann das bei chronischen Erkrankungen helfen?
Dr. Moosburner: Es handelt sich dabei um ein wärmetherapeutisches Verfahren, bei dem die Körpertemperatur künstlich erhöht wird. Dies hat eine fieberähnliche Wirkung, ist aber eine passive Erwärmung. Die Körpertemperatur wird auf ca. 38,5 Grad Celsius bis maximal 40,5 Grad erhöht. Das hat positive Effekte auf das Immunsystem, wirkt regulierend auf das vegetative Nervensystem und stößt Stoffwechselfunktionen an. Die Durchblutung wird gesteigert, auch die der Tiefenmuskulatur, was vor allem für Fibromyalgie-Patienten sehr hilfreich ist. Sie können so endlich lockerlassen, die Muskulatur wird weicher, Verspannungen lösen sich, was häufig eine deutliche Schmerzlinderung nach sich zieht. Zudem können die Patienten durch eine Wirkung auf bestimmte Neurotransmitter eine Veränderung ihrer Schmerzschwelle erfahren. Damit haben wir wirkliche gute Erfolge. Bei Fibromyalgie- und auch bei Rheuma-Patienten versuchen wir in jedem Fall, drei Anwendungen vorzunehmen.
Wie schätzen Sie die Chancen der Integrativen Medizin in der Zukunft ein?
Dr. Moosburner: Immer mehr Menschen wünschen sich einen integrativen Therapieansatz. Die Studienlage für die klassischen naturheilkundlichen Behandlungsmethoden ist mittlerweile gut. Viele der Naturheilkunde zugehörigen Verfahren wie Phytotherapie, Bewegungstherapie und Entspannungsverfahren haben inzwischen auch Eingang in eine ganze Reihe von medizinischen Leitlinien gefunden. Als integrativ tätige Ärztin würde ich mir wünschen, dass klassische und naturheilkundliche Medizin nicht in Konkurrenz zueinander gesehen werden, sondern als sinnvolle Kombination. Ich wünsche mir ein respektvolles und professionelles Miteinander. Schließlich geht es allein um den Patienten – und der hat den größten Nutzen vom Zusammenspiel der unterschiedlichen Therapieformen. Von daher gilt es doch das Potenzial aller zur Verfügung stehenden Therapiemöglichkeiten im Sinne des Patienten voll auszuschöpfen.